Betrieb Ellenburghof

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Ellenburghof, Zweite Heimat, Düwelsloch

17.01.2023

Der Ellenburghof, die Kneipe in der es ab und an recht wild zuging, wurde aus einem alten landwirtschaftlichen Gebäude zu einer recht ansehnlichen und im Dorfe sowie den umliegenden Gemeinden wohl anerkannten und gern besuchten Gaststätte renoviert. Jupp (Josef) Sperl und seine Frau Resi (kein alternativer Vorname, die Resi kannte man eben nur als Die Resi) machten aus dem Hof etwas Angesehenes. Die berufliche Tradition der beiden Ruhrpöttler war das Verkaufen von Kobolden. Jawollja, Staubsauger der damaligen Extraklasse. Gibt’s die eigentlich noch?

Damals im Ellenburghof

Krombacher Pils, beste halbe und oft auch ganze Hähnchen, dazu Pommes aus der Fritte, das komplette Programm inklusive Sol-Ei. Mit Senf und Maggi, wie es sich gehört… Aber auch das Wiener, Jäger, Zigeuner und andere Varianten der so gern vertilgten nordwaldeckischen Traditionsschnitzel gab es zu nahezu jeder Tages- und Nachtzeit. Die Variante Schmand oder gar die hauseigene Art mit mehr Pilzen oder „scharfen Zigeunern“, und nochmals scharfen Paprika, „etwas Chili gefällig?“ kam hinzu.

Ob nachts um Drei direkt aus‘m Kühlschrank, zwar gebraten, aber eben kalt. Oder, wenn‘s der Resi oder dem Jupp – der Herr sei Beiden Ihrer Seelen gnädig – gemach war, auch schon mal schnell in der Mikrowelle aufgewärmt. Bei Resi und Jupp war alles möglich. Resis Hähnchen waren der Renner und so mancher wird sich an Pommes direkt vom Fußboden, dazu reichlich Ketchup, Majo, Chili und – Krombacher – erinnern.

Lange hats gehalten, schön waren die Zeiten. Toll der Service, immer freundlich, stets frisches, mit obligatorischer „Sieben Minuten Blume“ Gezapftes, und da waren sie besonders beharrlich; denn, so die Resi, „schnell trinken kannste aus der Flasche, Kleiner.“

Sperls Jupp und seine Resi waren immer für ihre Gäste da. Und ebenso für uns Kids, ob kostenlose, immer verfügbare Dauerlutscher an Plastikstil mit Variante Cowboy und Indianer, oder ne Cola; „willst‘ ne Cola, ik sachs auch deener Mutti nich“ sagt die Resi und hinter vorgehaltener Hand wird, a la James Bond, der Geheimpakt zwischen Kind und Mutti Resi abgecheckt.

Es war also alles so, wie es in einer Dorfkneipe sein soll. Sollte…. Damals. Will heut niemand mehr von wissen, aber damals war es so. Die Herzlichkeit der Staubsaugerverkäufer war oft herzerweichend, im Nachhinein eine Anekdote wert, man denkt noch oft an die Guten Alten Zeiten, doch irgendwann war Schluss. Sohn Harry längst in die Vereinigten Staaten, Florida war das Ziel, ausgewandert, die Kraft der Kobolde ließ nach, das Kneipchen wurde geschlossen. Großes Bedauern allerorts, aber: watt mutt, datt mutt.

Danach kamen Viele

Wirte aus dem Libanon, immer den Dolch griffbereit am Gürtel, oft gezückt, aber vom Dorfvolk am Ende doch zum Teufel gejagt, hier lässt man sich nix bieten. Griechische Leckereien gab es auch, und mancher Wirt hingegen bot schales Bier und die Frikadelle mit Senf, den Pfefferbeißer auf die Hand, dazu schlecht gezapftes Krombacher stets.

…und der Sänger
DW Rogers, gestatten, Welk.

Singt, spielt Gitarre, kann beides gut, zapfen ebenso, ein echter Wirt eben. Abstinent, hat so manchem Freibier entsagt, alte Zeiten und Erinnerungen wohl, wer weiß das schon so genau. Countryabende mit Lifebands und gewissem Charme wenn DW die Gitarre zupfte.

Sonnenbrille, Akubra, die Cowboyboots auf Hochglanz poliert, Klampfe am Start. Er wars, der nachfolgende Pharao der ewig göttlichen Sperls. Langfristig auch nicht bestehend, vielleicht weil die Gema eines Tages in die Hütte kommt und nach dem tollen Sänger a la Cassettenrecorder fragt, der da im Hintergrund seine Countrysongs orgelt?

„Das ist meine Musik“, spricht der Wirt, schiebt sich lässig den Akubra in den Nacken. „Ich verkauf die Cassetten auch, Interesse?“ Und der Mann an der Theke, ganz unbescholten, „Ohne Gema?“ Die Strafe, die Nase voll, der Nächste (Wirt), bitte.

Foto eines CD Covers von Dieter Welk alias DW Rogers. Wir werden ihn in guter Erinnerung behalten (verstorben).

Danach wiederum kamen Griechen, Fremde, Komische. Auch Bayern, vielleicht sogar ein Koreaner, wer hat die alle zählen können? Und irgendwann ging, wie in damaliger Zeit, als das Kneipensterben seinen grausamen Lauf nahm, eigentlich nichts mehr. Die Sperls selbst lebten zurück gezogen in ihrem kleinen Häuschen, das unmittelbar an die Kneipe angrenzte, die so einige Namen getragen aber nunmehr innerlich in der Gastronomischen Seele verwahrlost dastand.

Der Australier

Bis eines Tages ein verloren geglaubter Sohn in Ellerkusen ankommt. Zurück nach Jahren in Busch und Outback des australischen Nirwana, kommt er getrampt. Man fragt, ob er zurück sei, Geld für neue Abenteuer abzuholen. Doch die Geschichte nimmt wie so oft im Geschehen der Zeit einen anderen, hier gar einen besonderen Lauf. In Unterstützung von Bruder, Schwester und so manch Dorfbewohner die mit Muskelkraft und grandiosem Engagement die Außenanlagen in Handarbeit, das Innere der Gaststube mit Malereien, Verzierungen und vieler Art Gemütlichkeit bringender Kleinode verschönerten, wurde die Kneipe in Anbetracht der ehemaligen Namensgebung „Ellenburger Hof“ nach dem Tal benannt, welches nebst dem Berge Ellenburg in einer tiefen, bewaldeten und dunkel, ja bedrückenden Felsensackgasse mündet; dem düsteren Teufelsloch.

Düwelsoch – Teuflisch Gut Essen und Trinken

Das „Düwelsloch, teuflisch gut Essen und Trinken“, war die Devise, und man verdankte bei perfekt gezapfter Sieben Minuten Blume – von Resi und Jupp in gastronomischer Meisterzapfkunst ehrfürchtig erlernt, so manche Sitzung, so manchen gemütlichen Abend bei einem der ältesten und besten Biere Deutscher Braukunst aus dem Jahre 1131, dem Arolser Pils.

Dem Fällen eines Baumes zu danken, der als Dorfmittelpunkt und einer Art Maibaum seit der Zeit des Düwelsloch als Hofplatz zu dienen vermochte, verdankte man zudem, nebst so manch wildem, erregten und oft lautstarken Gespräch bei stets gutem Essen, eine Atmosphäre, die seinesgleichen nicht nur in kleinem Umkreis suchte.

Die beste Küche weit und breit, mit Speisen, Leckereien und Spezialitäten aus aller Welt, wurde dem Gasthaus zu gutem Rufe, über Lang aber auch zum Verderben. Nach einigen Jahren war Schluss, wie so oft und aus den unterschiedlichsten Gründen, bekannt wie bei anderen Lebenskünstlern zuvor. Doch in den Jahren der teuflisch-grandiosen Auftritte, vom Glasbläsermeister über Dichter und Mimiker, einem, der Rilke aus dem Stehgreif vortrug, sowie so manchem Abend im Biergarten mit Life Rock- und Bluesbands. Last but not least, „Das Legendäre Trecker-Rennen: Fendt gegen Audi“.

Es gab also auch so einige Anekdoten aus dem Düwelsloch, und hier ist eine:

Es waren Zeiten der ganz besonderen Herzlichkeit. Begründet auf dem Spaß an der Heimat, der Liebe zum Dorf und seinen Einwohnern, dem Müßig- und Frohseinsgang mit den Menschen des Nordischen Hessenlandes und einhergehend die Ehrfurcht vor, sowie der Stolz auf, unser geliebtes Waldecker Land.

Die gesammelten Erfahrungen aus Jahren des Reisens, Erkundens, der großen weiten Welt und der fernen Länder bewogen den Wirt in diesem abgelegenen kleinen Ort Ellerkusen mit den einhundertachtzig Einwohnern das etwas andere Gastronomische zu versuchen. Unterstützt durch das Genie eines Küchenmeisters, der seines Gleichen auf weiter Flur suchte, gab es dort so manches Festmahl in dem Kneipchen, über das sogar die großen Medien auf der Titelseite zu berichten wussten.

Da geht’s lang, folge dem Düwelspfad…

Die selbst erdachten und in Wald und Flur aufgehängten Schilder waren so begehrt, dass die meisten Wandersleut sich nach einigen Kilometern Waldeslust verliefen. Doch Dank sei dem Mobilfunknetz und daß der Düwelswirt sie in Wald, Feld und Verirrtheit abzuholen bereit war.

Der „Waldecker Ochsenritt“, eine etwas abgewandelte Version des international bekannten und renommierten „Surf n Turf“

Überall redeten sie vom Düwelsloch. Und fuhren hin zum Speisen und zum Schlemmen, genossen die Herzlichkeit, das Persönliche in der Speisenkarte, in der ein Stück Filet eine eigene Geschichte bekam, das Hühnchen eine weltweite Reise vollzog, die Entenbrust mit Anekdoten aus Peking aufwartete, und wo „Die winterliche Schlittenfahrt im Kirchtal“ aus vortrefflichen Leckereien zubereitet, eine Gaumenreise der Superlative zu bieten vermochte.

Nebst dem „Horny Devil“, scharf-würzige Ode an den australischen Urzeitdrachen Thorny Devil, also Dornenteufel aus Schweizer Rösti und feinstem Filet von Meisterkochs eigener Hand gefertigt gab es auch das im Kindergarten zu Twiste an Ort und Stelle im Klassenzimmer gemeinsam mit den Kids zubereitete Straußenei.

Es waren diese Abenteuer, die eigens erlebten Geschichten und Anekdoten, die, aus dem wahren Leben gegriffen, die Philosophie der Internationalen Küche des Düwelsloch zu erzählen vermochte.

Herzliche Gemeinsamkeit, gemütliches Beisammensein und bestes Schlemmen von feinsten Leckereien.
Kurzum, alles begab sich wie in einem lebhaften Traum.

Doch dann der Supergau. Der Koch fehlt, dreißig Handwerker vor der Tür zum Gänseessen, der Wirt schickt sie wieder heim, „‘S‘ gibt heut keine Gänse.“ Und so mancher wird sich erinnern an die Guten Zeiten. Und schmunzeln…


Heute ists, nach Jahren des erneuten Stillstands, die „Zweite Heimat„, die „man“ und Frau gern besucht, um sich an Katrins Gastfreundlichkeit und Herzensfreude zu laben.

Hi Rolf, gut und unterhaltsam geschrieben. Ja, alles mit erlebt.

Bis bald, lieben Gruß Bruni Göbel

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